Ostvertriebene suchten und fanden in Linde eine neue Heimat - Die Siedler pflegen eine gute Gemeinschaft
Im Jahre 1957 erfuhr das Kirchdorf Linde einen wesentlichen Entwicklungsschub. Für Heimatvertriebene aus dem Dreieck Berlin – Königsberg – Breslau wurden insgesamt neunzehn Siedlerstellen eingerichtet. Wie an vielen anderen Orten des Rheinlandes war auch die Kommune Lindlar gefordert, entsprechendes Bauland auszuweisen.
Entscheidende Perspektiven im ländlichen Raum
Dazu boten sich in Linde Flächen am Dörler Weg, an der Hauptstraße sowie das so genannte Kühns Feld an. Die Bebauung erfolgte serienmäßig nach einheitlichen Bauplänen. Die Siedler mussten sich zur Landwirtschaft bekennen und erhielten neben dem eigentlichen Hofplatz eine Agrarfläche von etwa 15 bis 20 ar, insgesamt etwa 1 Morgen, zugeteilt.
Geld gespart durch einheitliche Baupläne
Die Baubetreuung oblag dem Architekten Daberkow aus Troisdorf. Durch einen achtseitigen Handzettel „Was muss ich als Siedler wissen“ wurden die Bauwilligen mit allen notwendigen Bedingungen und Vorschriften vertraut gemacht. Gotthard Klein hat die Bauakten seines Vaters noch in guter Verwahrung.
Öffentliche Mittel, Muskelhypotheken und "eine Kläranlage"
Die Finanzierungen lagen im Rahmen von etwa 35.000 bis 40.000 Mark und wurden durch begünstigte, teils zinsfreie Darlehen der öffentlichen Hand sowie Lastenausgleichsmittel aufgebracht. Viel wurde dem Konto Eigenleistung abverlangt. Erwähnenswert ist der Bau der Kläranlage, die als grundlegende Baubedingung notwendig war und von den Siedlern finanziert werden musste. Mit ihrer Kapazität von 180 Einwohnergleichwerten diente sie sogar bis in die neunziger Jahre fast dem gesamten Ortskern.
Anno 2007 - Feierlicher Rückblick auf 50 Jahre
Von den damaligen „Hypothekaren“ aus Linde erleben heute noch Werner und Christa Ewest, und Georg Heisig die 50jährige Wiederkehr ihrer notariellen Besitzergreifung. Ansonsten sind es Kinder und Kindeskinder, sowie die heutigen Grundstückseigner der Siedlungsanwesen an der Linder Straße, in der Dörler Straße und Im Berggarten, die sich in der Freude einig sind, das Jubiläum feierlich mit einem Siedlerfest zu begehen.
Alles Gute hat meist viele Namen
Die Anschrift der im Kühn’s Feld errichteten Anwesen hat sich im Laufe der Jahre mehrfach geändert. Anfangs lautete sie schlicht und einfach „Siedlung“, dann „Gartenstraße“ und im Zuge der kommunalen Neugliederung und Postreform „Im Berggarten“. Aus der „Hauptstraße“ wurde die „Linder Straße“ und aus der Bezeichnung „Am Dörler Weg“ wurde die „Dörler Straße“. Bis dahin hatte Linde sogar eine eigene Postleitzahl, die 5253.
Die Narben der Vergangenheit werden nie vergehen
Im Laufe der Zeit sind die Siedler von damals in homogener Einheit mit dem Dorf verschmolzen. Ihre schicksalhafte Vergangenheit ist ein bitteres Kapitel der Geschichte. Es würde keinem gerecht, die erlittenen Greuel und Leiden aufzuzählen. Die Tatsache, gegenseitig aufeinander angewiesen zu sein, hat nicht nur die Neuankömmlinge untereinander zusammengeschmiedet, sondern auch die Verbindung zu den Eingesessenen geschaffen.
Wie es damals war
Einquartierungen und Behelfsunterkünfte zwangen in der Epoche der Ausgebombten und Flüchtlinge zum Zusammenrücken. Der Wohnraum wurde von Amts wegen bewirtschaftet. Obdachlose wurden eingewiesen. Die ehemals rein katholische Volksschule in Linde war längst zwangsläufig in die konfessionelle Zweizügigkeit übergegangen.
Einstieg in die Ökumene
Die ländlichen Strukturen und das ausgeprägte Vereinswesen ebneten mit der Zeit den Einstieg in die Dorfgemeinschaft, wobei es zugegebenermaßen auch manche Vorbehalte auszuräumen galt. Mit dem kooperativen Verhalten des katholischen Linder Pfarrers Josef Prinz und des evangelischen Gemeindemissionar Pastor Kurt Appelt gelang der Einstieg in die Ökumene. Als Königspaar der „St. Sebastianus-Schützenbruderschaft Linde führten Günter und Marianne Glaubitz 1981 den guten Brauch ein, das Schützenfest alljährlich mit einem ökumenischer Gottesdienst zu beginnen.
Fröhliche Feste und Feiern
Unvergessliche Erinnerungen werden beim Rückblick auf unzählige Feste und Feiern wach, welche die Gemeinschaft bis auf den heutigen Tag geprägt haben. Ein Blick in den Linder Veranstaltungskalender und auf die Homepage des Bürgervereins Linde (www.lindlar-linde.de) lohnt.
Den Alltag durch Kameradschaft und Hobbys verschönt
Unvergessen ist vor allen Dingen der gemeinsame Ackerbau von Getreide, Gemüse und Kartoffeln. In den neunziger Jahren gab es unter großer Beteiligung den letzten „Eepelsrummel“, ein Ausdruck, den auch die Schlesier zu verstehen gelernt haben. Gepflegte Anwesen, liebevoll bewirtschaftete Gärten und vielfältige Hobby-Tierhaltungen, vom Streifenhörnchen bis zum Rassepferd, zeugen noch heute von der Lebensart, die einst zum Überleben unumgänglich war. Die Felder sind heute Grünland. Trotz der zahlreichen, bedarfbedingten An- und Umbauten ist die Grundstruktur der Siedlung noch gut erkennbar und ein markantes Zeichen im Ortsbild.
Familienwachstum und Ausweitung der Besiedlung.
Durch die Besiedlung des Korbichs Feldes hat die Siedlung seit 1995 quasi eine Ausweitung erfahren, die vorrangig zur Befriedigung des eigenen Bedarfs betrieben wurde. Die familiären Beziehungen bilden eine gute Basis zur Integration, auch hinsichtlich der Fremden.
"Linde ist meine Heimat"
Selbstverständlich haben sich viele Siedler nach der Wende zu Besuchen der ehemaligen Heimat aufgemacht. Wenn man sie aber fragt, sagen sie „Linde ist meine Heimat“. So bewahrheiten sich Dichterworte: „Heimat ist da, wo es mir gut geht“.